LESEPROBEN Der
Trebing-Lecost Hotel Guide 2016
(...)
Für das Ein- und Auschecken wurden hier offenbar die Spielregeln
neu festgelegt. Check-in-Zeit ist 15.00 Uhr, der Check-out soll bis 12
Uhr erfolgt sein – so weit, so gut. Während es aber in
anderen Hotels in der Regel kein Problem ist, den Gast sofort
einzuchecken, sofern das Zimmer vom Housekeeping freigegeben ist oder
am Tag zuvor überhaupt nicht belegt war, stellt man den
Gästen hier für einen Early Check-in ab 10 Uhr satte 39 Euro
in Rechnung; ab 12 Uhr reduziert sich die Gebühr auf 19 Euro.
Für einen Late Check-out werden je weitere Stunde 10 Euro
gefordert. Bei all dem Eifer, neue Einnahmequellen zu
erschließen, wurde leider verabsäumt, die Mitarbeiter der
Reservierungsabteilung so zu schulen, dass sie in der Lage sind, den
Gast über die Zusatzgebühren zu informieren, ohne ihn dabei
zu verärgern. Auf unseren Hinweis, dass bislang bei
Verfügbarkeit keine zusätzliche Gebühr berechnet worden
sei, erwiderte der Mitarbeiter „Das gibt es jetzt nicht
mehr!“ – in einem Ton, als wolle er uns klarmachen, dass
mit solcher Schnorrerei jetzt Schluss sei. (...)
(Maritim, Berlin)
(…)
Eine witzige Idee ist die Aktion „Bier & Pizza“, bei
der dem Gast das Essen im Pizzakarton aufs Zimmer gebracht wird. So
verdient man selbst an diesem Service, anstatt die Snackboxen
umliegender Schnellrestaurants zu entsorgen, und der Gast bleibt im
Haus. Vier verschiedene hausgemachte Pizzen stehen zur Wahl, wobei auch
Sonderwünsche berücksichtigt werden. Wir bestellten eine
Salami-Zwiebel-Pizza und baten darum, das Bier gegen einen Milchkaffee
auszutauschen. Kein Problem; die Bestellung wurde von der freundlichen
Dame wiederholt, wie es Standard sein sollte, (...) Beim Öffnen
des Kartons kam dann allerdings die Ernüchterung: Die Pizza war
mit allem belegt, nur nicht mit Salami und Zwiebeln. Schmunzeln mussten
wir, als die Dame auf unsere Eröffnung, sie könne die Pizza
wieder mitnehmen, der Belag sei falsch, in gebrochenem Deutsch sagte:
„Bestellung besser bei mir aufgeben, Kollegen hören nicht
immer richtig zu. Ich gebe den Auftrag jetzt selbst in die
Küche.“ So weit, so gut. Knapp eine halbe Stunde
später, mittlerweile war es halb neun, stand sie wieder vor der
Tür und brachte außer der Pizza eine Schale mit
Schokotäfelchen mit, die sie uns als kleine Entschädigung
hinstellte. Beim Anheben des Kartondeckels stieg dann eine Mischung aus
Ärger und Mitleid auf, denn auch diesmal war es die falsche Pizza.
Unsere Bemerkung, wir wollten nicht erst um Mitternacht essen, war ihr
sichtlich unangenehm, denn bis zum Verlassen des Raums hatte sie sich
schon mehrfach entschuldigt. (...) Denn eines ist klar: Wo Menschen
arbeiten, werden Fehler gemacht; entscheidend ist aber, wie damit dann
umgegangen wird. Das kann man nicht besser formulieren als mit dem
bekannten Goethe-Spruch, der im Zimmer über dem Bett hing:
„Es ist nicht genug zu wissen, man muss es auch anwenden; es ist
nicht genug zu wollen, man muss es auch tun.“
(Mövenpick, Frankfurt)
(…)
Dieses Traditionshotel mit seiner über 500-jährigen
Geschichte kennt seit Jahren nur einen Kurs, nämlich abwärts.
Das begann schon, bevor die Hotelgruppe Dr. Lohbeck hier die
Verantwortung übernahm. Ein gewichtiger Grund dafür
dürfte der Renovierungsstau sein: An einigen Zimmern hat der Zahn
der Zeit doch deutlich genagt, Teppichböden, Stoffe und Möbel
sind sichtbar verschlissen. Grundlegende Renovierungsmaßnahmen
blieben jedoch bislang aus. (...) Seit März gibt hier nun Rainer
Malchus ein Gastspiel mit ungewissem Ausgang. Nach unserer
Einschätzung gibt es folgende Möglichkeiten: Entweder die
Hotelgruppe nimmt erhebliche Geldmittel in die Hand und lässt dem
Direktor bei der Positionierung des Hauses mehr Handlungsspielraum,
oder ein Hoteldirektor mit einem gewissen Anspruch wird sich absehbar
einer „neuen Herausforderung“ stellen, weil er begreift,
dass es eine solche für ihn hier nicht gibt. Eine dritte
Möglichkeit ist, dass er resigniert, sich in einer Komfortzone
einrichtet und Dienst nach Vorschrift macht. Letzteres wäre
für ein Traditionshotel wie dieses Gift und würde den Abstieg
weiter beschleunigen. Im Moment scheint Malchus noch die rosarote
Brille aufzuhaben. Als wir zwischendurch einen telefonischen Check
machten, hatten wir ihn persönlich am Apparat – das verdient
Lob, er scheint dort zu sein, wo er gebraucht wird, nämlich an der
Basis. Auf die Frage, ob es inzwischen renovierte Zimmer gebe,
antwortete er dann aber: „Wir sind ein historisches Haus, da gibt
es Seidentapeten und edlen Marmor. Und das wird gut in Schuss gehalten,
wir reparieren ständig.“ (...)
(Krone Assmanshausen, Rüdesheim)
(…)
Was hat sich hier gegenüber dem Vorjahr verändert? Nichts,
muss die ehrliche Antwort lauten. Dabei könnte der
größte Teil der Zimmer und Suiten eine grundlegende
Renovierung vertragen, auch wenn man immer wieder mal den einen oder
anderen Teppichboden gegen Laminat ausgetauscht und den Zimmern neue
Tapeten oder einen Eimer Farbe spendiert hat. Ungeachtet dessen ist das
Selbstbewusstsein groß, denn bisher hatte man sich allen Ernstes
als Fünf-Sterne-Haus klassifizieren lassen. Das Wort Luxus scheint
bei der Hotelgruppe Dr. Lohbeck ein dehnbarer Begriff zu sein. Nachdem
sich die Beschwerden häuften, ließ die Firmenzentrale nun
aber verkünden, sie wolle künftig auf eine Klassifizierung
verzichten. Man munkelt, der Deutsche Hotel- und
Gaststättenverband habe dies nahegelegt. Wer jedoch glaubt, man
übe sich nun etwas mehr in Bescheidenheit, der irrt: Die
Reservierungsabteilung teilte uns selbstbewusst mit, dass man sich
weiterhin als „klassisches Fünf-Sterne-Hotel“
verstehe. Luxus ist aber zuallererst Service, und der ist hier so
wechselhaft wie das hiesige Wetter. (...)
(Cliff Hotel, Rügen/Sellin)